Die Bluterbin

Im Schatten der ehrfurchteinflößenden Kathedrale von Bourges wächst Marie, die jüngste Tochter eines begüterten Tuchhändlers auf. Von außergewöhnlicher Schönheit, verlebt sie dennoch eine einsame Kindheit. Denn sie wird wegen ihrer immer wiederkehrenden, unerklärbaren Krampfanfälle sowohl von ihrer Familie als auch den Menschen ihrer Umgebung gemieden. Doch zunächst ahnt niemand etwas von dem Geheimnis, das sich hinter ihrer Krankheit verbirgt.

Die Kathedrale wird zu Maries einzigem Zufluchtsort und sie wird ihr zum Schicksal, denn in ihr lernt Marie die drei Männer kennen, die ihr weiteres Leben bestimmen werden…

Leseprobe

Prolog

Der Aufruf der stolzen Bürgerschaft von Bourges, im Jahre 1247 des Herrn, verbreitete sich leise flüsternd mit dem Wind bis in die armseligste Behausung der Provinz und löste eine regelrechte Landflucht aus.

„Jeder, der ein Jahr innerhalb unserer Stadtmauern verbringt, ohne dass sein Herr ihn findet und zuriickfordert, wird fortan ein freier Bürger sein“, lautete die vielversprechende Botschaft der berittenen Stadtboten von Bourges, die so schnell wieder verschwanden, wie sie gekommen waren.

Getragen von der stillen Hoffnung auf Freiheit und auf ein menschenwürdiges Leben, folgten einzelne Familien, aber auch ganze Dörfer deren verlockendem Ruf, und immer mehr ausgemergelte und verdreckte Gestalten tauchten mit ihren mengen Habseligkeiten bepackt vor den Toren der Stadt auf.

Die mächtige Steinmauer, die sich, nur von düster aufragenden Wachturmen unterbrochen, um die Stadt zog, löste die verschiedensten Gefühle in den Menschen aus. Obwohl sie Schutz versprach, wirkte sie abweisend und bedrohlich. Allein die Hoffnung überwand alle Bedenken.

Unter den misstrauischen Augen der Stadtwachen schlichen die Menschen geduckt durch die hohen Tore, um wenig später hilflos in einer anonymen, bunt brodelnden Masse aus Menschen und Tieren unterzugehen.

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